Heute morgen ging es für mich früh raus. Nachdem Alfred euch im letzten Beitrag ein bisschen gespoilert hat, kann ich euch über das fragwürdige Bergfoto aufklären: Es ist der Fuji-san. Und für ein Foto ohne Wolken mit Sonnenaufgang stand ich in der Früh auf. Um ehrlich zu sein war ich etwas spät dran, die ersten Sonnenstrahlen leiteten bereits den Tag ein. So schnell ich konnte packte ich alle wichtigen Sachen zusammen und rannte den Berg runter, durch den verschlafenen Ort zum Suwa-See. Von dort hatte man den besten Blick in das Tal, an dessen Ende der einsame Berg zu erkennen war.
Fujisan und ich
Ich kam genau richtig. Es war etwas dunkel am See, der Nebel hing in den Berghängen etwas frisch in der Früh. Dennoch spürte ich die Kälte nicht, da ich Richtung See joggte. Ich passierte eine Gruppe von Teenagern, die sich in der Früh für das Ruderboottraining aufwärmten. Fragend schauten sie mir zu, wie ich zum See eilte. Was ich dort wohl wollte? So langsam färbte das gelbe, warme Sonnenlicht auch die Berghänge in der Gegend und vertrieb die letzten Wolkenreste. Mir gegenüber am anderen Ende des Sees: der Berg Fuji. Ein wunderschöner Anblick, inspirierend und wahrhaftig edel zugleich. Der bekannte Maler Hakosai verweilte einst in der Suwa Gegend, um eines seiner Bilderserie vom Fuji-san hier anzufertigen. Kein Wunder, die Sicht auf den höchsten Berg Japans ist auch fabelhaft.
Nachdem ich mich vom Fuji-san satt gesehen habe, musste ich auch gleich wieder los. Wir hatten gestern ein traditionelles Frühstück gebucht, das sehr bald serviert wurde. Auf dem Rückweg warf ich noch einen letzten Blick auf den See, Fuji und dem Sonnenaufgang, der die roten Laubbäume in ein rot-goldenes Licht färbte. Ein unvergesslicher Moment.
Ich hetzte also den Berg zu unserem Ryokan wieder hoch. Das kleine Örtchen war mittlerweile lebendiger geworden. In den Straßen liefen die ersten Schulkinder in Richtung Schule, Autos verstopften die Straßen. Alles wirkte lauter und chaotischer. Darüber hinaus hatte ich mich auch etwas verlaufen und fragte bei einem ansässigen Onsenbetreiber nach der Unterkunft. Glücklicherweise war diese im Ort sehr bekannt und ich musste nur wenige Meter Umweg laufen.
Wieder auf dem Zimmer angekommen warteten bereits Alfred und Nana auf mich. Während ich mit Alfred zum Frühstück ging, nutzte Nana die verbliebene Zeit zum Entspannen im Onsen.
Das japanische Frühstück war, wie am Abend zuvor in verschiedenen Gängen vorbereitet. Die Hauptspeise war diesmal ein frittierter Fisch aus dem Suwa See, den man mit Reis und diversen eingelegten Gemüse essen konnte. Eine warme Suppe rundete das Mahl ab. Zum Nachtisch gab es einen süßen Joghurt mit Feigenmarmelade in der Mitte. Alles in allem sehr interessant, da man auch hier die unterschiedlichsten Gemüseverarbeitungen aus der Region vorfand. Nicht zu vergessen, dass die Japaner sich früher eher vegetarisch ernährt hatten. Eben auf diese Lebensweise ruhen viele Gerichte, die man zusammen mit Reis kombiniert. Nach dem Frühstück rollten wir zu unserem Zimmer zurück und mussten erst mal alles setzten alles.
Nachdem wir unsere Sachen gepackt und ausgecheckt haben, ging es für uns los. Zunächst galt es den Ort Shimo-Suwa selbst zu besichtigen. Wir liefen zum östlichen Ende des Ortes, wo der Suwa-taishia Akimiya Schrein stand und für die Japaner eine wichtige Bedeutung hat. Am Eingang des Schreins stand ein altes Wasserbecken aus Stein zur Säuberung. Das Besondere: warmes Wasser floss aus dem aus Stein angefertigten Drachenmaul, was den Drachengott symbolisieren sollte. Das Quellwasser wärmte auch gleich die kalten Hände auf. Zwar war die Sonne längst aufgegangen, doch ein kalter Wind aus den Bergen zog ins Tal und ließ uns etwas frieren.
Wir gelangten auf das Schreingelände, das übrigens die größten Bronze Komainu, Wächterhunde, hatte. Wir durchquerten die Anlage und bemerkten in den Ecken vier alleinstehende kahle Baumstümpfe, die mit einer langen Tradition verbunden waren.
Alle sechs Jahre wird das Heiligtum neu aufgebaut, wofür vier große Bäume in den Wäldern gefällt und danach verarbeitet werden. Während des Verarbeitungsprozesses wird dabei auf technische Hilfe verzichtet. Alles, vom Fällen, ins Tal ziehen und vor Ort dann die Holzverarbeitung wird manuell vollzogen. Das dazugehörige Onbashiar-sai Festival feiert den Einzug der Baumstämme in den Ort, worauf die jungen Männer ins Tal fahren.
Wieder zurück auf der Straße passierten wir eine Kirschbaumallée bergaufwärts. Alfred hatte diesen Trip für uns bis ins kleinste Detail geplant und auch eine kleine Überraschung für uns parat. Über Treppen gelangten wir auf einen mit Moos bewachsenen Weg zwischen alten Zedern. Nana und ich schritten langsam den Weg auf und ab, zwischen den Bäumen. Kleine Buddhastatuen standen am Wegesrand und verstärkten die spirituelle Atmosphäre. Wir kamen zu einem Tempel auf dessen Rückseite ein schöner Garten mit der roten Herbstlaubverfärbung natürlich für die nächsten Fotos einlud.
Moosschrein mit Zengarten und schönem Garten
Laut Tourplanung des Tourismusmitarbeiters war unser nächster Punkt eine große Steinskulptur, die in Japan sehr bekannt war. Wir überquerten das Tempelgelände des Ukishima-sha Schreins und folgten einem Weg entlang des Togawa Flusses. Auf einer Lichtung lag er – ein großer, runder, breiter Fels mit einem kleinen Kopf auf der Mitte. Im wuchtigen Stein konnte man die Umrisse einer meditierenden Haltung erkennen. Das Gesicht war allerdings sehr markant aus dem Fels gehauen. Die Skulptur stammt aus dem 17. Jahrhundert und war die Statue des Amitabha Buddha. Für mich war die Steinfigur eher abstrakte Kunst, als ein einzigartiges Kunstwerk. Aber Geschmäcker sind unterschiedlich.
Nach langer Betrachtung und Infos von mir hatten wir unser Sightseeing Programm beendet und zogen wieder den Berg runter in Richtung Bahnhof. Schließlich hatten wir einen weiteren Programmpunkt auf unserer Liste. Doch zunächst wollten wir unser Versprechen einlösen und kamen bei der Touristeninformation am Bahnhof wieder vorbei. Es begrüßte uns der nette Herr von gestern und fragte ob wir bereits seine Tour gemacht haben. Als wir ihm Stolz unsere Fotos zeigten, übergab er uns drei Tonglocken in der Form des Steinbuddhas.
Während unseres Gespräch kam heraus, dass er selbst zu dem Festival-Kommitée gehörte. Während die Baumstämme abgeholzt und ins Tal geschafft werden, wurde die Arbeit rythmisch in Gesängen vorgegangen. Kaum sah er in unsere erstaunten Gesichter, stellte er uns neben einem langen Tisch auf, der Teil eines vergangen Baumstammes war, auf. Und so stimmte er in einer plötzlich hohen und lauten Stimme uns zum mitsingen ein. Ein ulkiger Moment, wie wir mitten im Raum der Touristeninformation standen und grölten. Dennoch, ein kleiner Vorgeschmack für das 2022 bevorstehende Festival.