Wir mieteten uns in der Früh zwei Mointainbikes und fuhren damit zunächst zur Matsumoto-Burg. Die Burg war der Startpunkt einer Art Schnitzel-Jagd nur mit Stempeln.
Man konnte drei verschiedene Kurse durch Stadt und das Umland laufen und an historisch bedeutenden Stationen einen Stempel für seine mitgenommene Stempelmappe mitnehmen. Die längste Runde war 17 Kilometer lang, für die wir uns auch entschieden. Hauptziel der Veranstaltung war eigentlich das Laufen und dabei die Geschichte der Stadt hautnah mitzuerleben, wir entschieden uns allerdings zu radeln. Auch wenn wir die einzigen Radler waren, brauchten wir fast genauso lange wie die japanischen Teilnehmer. Meist verbrachten wir doppelt so lange an den wichtigen Orten, um die Bedeutung verstehen zu können.
Um punkt acht Uhr versammelten sich die Teilnehmer vor der Burg und begannen gemeinsam mit dem Aufwärmen und Streching. Vorne stand der Moderator und zeigte die Übungen vor, während der Rest diese ausführte. Ich kannte es eigentlich aus dem Fernsehen, aber es machten vom Veranstalter bis zur Omi alle mit und wir natürlich auch. Danach ging es los. Wir fuhren etwas verspätet der Masse nach, da wir uns noch anmelden mussten, konnten aber die meisten bald wieder einholen. Der Großteil der Teilnehmer bestand natürlich aus Rentern. Hier und da konnte ich Familien mit Kleinkindern sehen und auch ein paar Jugendliche. Unsere Ausrüstung bestand aus: einer freien Stempelkarte, einer durchsichtigen Umhängetasche für die Stempelkarte (damit man gleich erkennen konnte, wer alles mitmachte), einem Plastikbeutel, einem Stadtplan mit den eingezeichneten Routen und Stationen und einer kleinen Wasserflasche. Und damit fuhren wir los. Der ausgedruckte Stadtplan war nicht genau eingezeichnet, weshalb wir uns auf den ersten halben Kilometer ordentlich verfuhren. Aber egal – die Richtung stimmte und als wir die rote Brücke erreichten, konnte ich bereits die letzten Wanderer entdecken.
Die Stationen waren mit roten Fahnen ausgeschildert und dennoch nicht immer leicht erkennbar. Eine Anlaufstelle zeichnete ein Gebäude oder Monument ab. Dies konnte ein Tempel, ein Grabmal oder einfach eine Ausgrabungsstätte altertümlicher Keramikscherben sein. An jeder Station stand ein Tisch mit einem Stempel dabei, der dem Motto entsprechend eigens angefertigt wurde. Auch Mitarbeiter nahmen bei der Stempeljagd teil und liefen die Routen ab. Somit war zwar meistens niemand an den Stempelstationen, aber dafür irgendwo auf dem Weg mit dabei. An manchen Stationen bekam man Information über die historische Wichtigkeit, an anderen stand leider nur der Stempeltisch da. Dies war zum Beispiel bei einem Clangrabmahl der Fall. Bis auf die Punktekonstellation im Wappen, konnten wir nichts weiter darüber feststellen, da keine Informationen dazu auslagen. Man muss auch wissen, dass die meisten Teilnehmer aus der Gegend von Matsumoto kamen und damit über Regionalgeschichte bestens Bescheid wussten.
Sobald man einen anderen Wanderer erkannte, grüßte man sich und startete hier und da etwas Smalltalk. Einige warfen uns neidische Blicke zu, als wir sie mit dem Rad überholten. Andererseits wurden wir auch wiederum eingeholt während wir die Zeichen und Interpretationen versuchten zu übersetzen. Als ein kleines Mädchen uns mit dem Rad sah, fing sie direkt an zu bocken und wollte schlichtweg nicht mehr weiter gehen…
Mit dem Bike ging es rauf und runter. Einer der Aussichtspunkte war die eben genannte Ausgrabungsstätte auf einer Anhöhe vor Matsumoto. Mit dem Rad war es ganz schön anstrengend hinauf zu radeln und das wobei es sehr kalt und windig war. Ich hatte drei lagen Sportklamotten und eine Softshelljacke an. Im Schatten zog der Fahrtwind in meine Ohren, in der Sonne war es angenehm warm. Wir erreichten den höchsten Punkt verschwitzt und bekamen dort auch Wassernachschub. Der Ausblick belohnte unsere Anstrengungen. Nach einer kleinen Pause ging es weiter.
Das Volkskundemuseum war eine gut versteckte Station, da der Stempeltisch sich im Innenhof und Garten befand. Das Museum stellte Figuren und Traditionen der regionalen Volksreligion aus. Neben großer Tonschüsseln konnten auch Steinfiguren betrachten werden. Leider konnte uns die englische Übersetztung keine detaillierten Informationen dazu geben. Interessant war, dass es dazu eine Ausstellung über die Kultur Äthiopiens gab.
Bei einer Mittagspause in einem nahegelegenen Onsenort aßen wir in einem kleinen Restaurant Ramen. Die Suppe sättigte uns nicht nur, sondern wärmte auch von innen. Hier bei Matsumoto wehte ein eisiger Wind aus den Bergen runter und kühlte die Temperaturen ganz schön ab. Für uns, die bisher in wärmeren Gebieten gereist sind, war es auf jeden Fall eine Umstellung. Auch das Hostel, das ein ausgebautes altes Haus war, war kaum gedämmt, weshalb nachts die Wandseite ganz schön zog. Wieder zurück auf der Straße fuhren wir die letzten Stationen ab um noch rechtzeitig in die Burg Matsumoto zu kommen. Bisher war die gleichnamige Stadt immer Ausgangspunkt für unsere Tagesausflüge gewesen, jetzt konnten wir die größte Sehenswürdigkeit genauer anschauen.
Die Burg Matsumoto
Die Burg von Matsumoto wird gerne als Gegenstück zur Burg des Weißen Reihers, Himeji, gesehen und gehört zu den 12 erhaltenen Burgen aus der Edozeit. Sie gilt als Nationalschatz. Die Krähenburg, zweiter Name von Matsumoto-jo, wurde 1504 errichtet und ist ein gutes Beispiel für den Befestigungsstil Hirashiro (Flachlandburg). Mit dem sechsstöckigen Hauptturm überragt sie die Talebene und steht auf einem Fundament aus großen Felsbrocken. Ein Wassergraben und rote Brücke runden das Bild ab. Eigentlich sollte die Burg von Matsumoto Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen werden, was durch das Engagement zweier Bürger abgewendet werden konnte.
Wir betraten die Burganlage mit ihrem schönen Herbstgarten. Dort standen bereits die Touristen Schlange um in die Burg zu kommen. Wir schlossen uns dem Ende an und warteten. Ich fragte mich bereits, ob es nicht klüger wäre später oder erst morgen vorbei zu gehen, aber Eintritt wurde bereits gezahlt. Glücklicherweise wurden zwei Darsteller beauftragt die Wartenden etwas zu unterhalten. Verkleidet als Samurai und Ninja wollten sie eigentlich die Kinder auf andere Gedanken bringen und ein Foto schießen lassen. Dafür fragten sie, ob eine (kleine) Prinzessin „Hime-sama“ nicht Lust hätte, vor zu treten. Nachdem sie uns passierten rief Alfred heraus „ja, hier ist eine Prinzessin!“ und zeigte auf mich. Naja, und so bekam auch die Julia ein Foto mit dem Samurai und dem Ninja 😀
Die Burg selbst war super unspektakulär und, ähnlich wie Himeji, auf die Masse ausgerichtet: Wenig Information, keine Dekoration oder Gegenstände. Ein Stockwerk zeigte europäische Schusswaffen, mit denen die Burg gegen einen Aufstand verteidigt wurde. Die meisten Räume waren leer geräumt worden, damit die Besuchermasse in vorgegeben Wegen durchlaufen konnte. Ein Nadelöhr waren die steilen und schmalen Treppen zum Turm hoch an denen die Touristen gleichzeitig hoch und runter steigen mussten. Allein dafür standen oben und unten Wachposten um den Besucherstrom durch zu führen und darauf zu achten, dass keiner Stürzte. Oben war die Aussicht sehr schön. Mit dem Blick in die Bergwelt vergaß ich, dass auch hier die Besucher in einem stetig fortlaufenden Strom von Aussichtsfenster zu Fenster durchgewunken wurden.
Am frühen Abend ging es für uns wieder zurück zum Hostel. Nach einer angenehmen Dusche mussten wir die Sachen für den nächsten Tag packen.