Alfred und ich kamen pünktlich im Stockwerk des Essensaales mit dem Aufzug an. Kaum öffneten sich die Türen, wurden wir auch schon von einer älteren Dame erwartet. Sie führte uns in einen Raum mit westlichem Ambiente – also mit Stühlen und Tischen. Ich muss sagen es war meine größte Befürchtung, dass wir stundenlang kniend auf dem Boden sitzen müssten.
Ein Teil des Essens war bereits auf dem Tisch serviert: einige kleine Gerichte. An der Seite lenkte ein Topf aus Keramik mit einer kleinen Feuerstelle meine Aufmerksamkeit auf sich.
Wir saßen wenige Minuten alleine im Raum mit dem Tisch voller Essen und wussten nicht so recht ob wir beginnen sollten. Dann erschien die ältere Dame wieder und fragte uns was wir trinken wollen. Wir bestellten regionalen heißen Sake. Dazu aßen wir den Apperativ: eingelegte Blütenblätter mit Rettich und einem Kürbispudding. Wir aßen langsam, um jedes Gericht so intensiv wie möglich zu genießen. Allerdings für die Serviererin nicht schnell genug, denn während wir noch bei der Vorspeiße waren, wurde uns auch schon der nächste Gang vorgelegt. Eine Misosuppe mit Tofu, Pilzen und einer Hühnchenpaste als Bällchen geformt. Die Hähnchenpaste schmeckte ausgesprochen lecker und würzig. Sie stellte ein gutes Gegengewicht zu den Pilzen dar. Mischte man alles zusammen, war es eine milde Misosuppe. Das Feuer unter dem Keramiktopf wurde per Brennpaste entzündet. Darin befanden sich drei Scheiben durchwachsenes Fleisch, sowie regionales Gemüse – eingelegt in Wasser. Dies kochte nun in den nächsten Minuten.
Dazwischen wurde uns Lachssashimi und Lachsfischeier mit etwas Wasabi und frischem Rettich serviert. Wir waren uns einig: es war das mit Abstand beste Lachssashimi das wir bisher gegessen hatten. Das Fleisch zerfiel auf der Zunge und schmeckte sehr ausbalanciert. Noch während wir an den ersten Happen des Sashimis knabberten, war das Shabushabu im Keramiktopf bereits fertig und ein weiterer Gang wurde gebracht.
Wir versuchten uns ja nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, aber irgendwie haben es die Japaner mit dem Timing des Gerichte servierens auch nicht drauf. Das bemerkten wir hin und wieder in Restaurants: während der eine erst seine Mahlzeit bekam, war der andere mit seinem Essen fast fertig. Gleichzeitiges servieren ist nicht immer gängig.
Zumindest bekamen wir keine große Platte. Frittierter Fisch mit gekochtem Ingwer, einen Block Seegraß und zum würzen grüner-Tee-Salz. Es schmeckte sehr ausgewogen und knusprig. Der Ingwer und das dahinter liegende Seegraß schmeckten übrigens etwas neutral. Dazwischen versuchte ich den Inhalt des Keramittopfes zu leeren, da mittlerweile das Feuer ausgegangen ist. Das nun gekochte Fleisch schmeckte sehr zart und stellte mit dem Gemüse einen wunderbaren vollmundigen Geschmack dar. Am Schluss konnte man sogar das Wasser im Topf als Suppe trinken. Einfach mega lecker!
So langsam füllte sich der Bauch, doch wir waren noch lange nicht am Ende. Mit einer neuen Sakebestellung kam auch das nächste Gericht ins Zimmer. Von oben nach unten: Auf der Spitze des Berges waren zwei grüne Ginko-Nüsse, die das Topping der Nusspaste darstellten. Welche es genau waren, konnten wir nicht herausfinden. Darunter befand sich ein großes Stück Schweinebraten mit ordentlich viel Fett. Ich bin zwar nicht der größte Fett-Fan der Welt, aber hier schmeckte die es nach dem Ofenfleisch, im Abgang ein nussiger Geschmack. Eine wahre Symphonie der Geschmäcker und absolut perfekt ausgeglichen. Fantastisch! Und als wäre das nicht genug, konnten wir mit den daneben liegenden Paprikascheiben das unten abgesetzte Fett mit der Nusscreme noch einmal genießen. Ich war wieder im kulinarischen Himmel.
Kaum waren wir mit dem Essen fertig und schwelgten schon in Erinnerungen wurde uns auch der nächste Gang vorgesetzt. Handgemachte Soba-Nudeln mit kleinen Toppings wie frischer Rettich, Frühlingszwiebeln oder eingelegten Gürkchen. Übrigens: man tunkt die Nudeln in die Soße und schlüft diese dann. Meist werden Nudeln und Soße kalt serviert. Nachdem man fertig ist, werden die Soßenreste mit dem Nudelwasser aufgegossen und dann als Suppe getrunken. Soweit kam ich hier allerdings nicht mehr… ich war ziemlich voll und musste erste Abstriche ziehen.
Wir bekamen zwischendurch auch eine Schüssel Reis serviert. Natürlich nicht irgendein Reis: der Reis selbst war mit Pilzstückchen gekocht und verarbeitet und mit groben Walnussstücken untergemischt. Alles in allem sehr lecker. Ich überlegte, wie man mich am besten zum Aufzug rollen konnte, so voll war ich schon…
Dann, nach einer längeren Wartezeit, in der sich das Essen im Magen ein klein wenig setzten konnte, kam der letzte Gang. Der Nachtisch. Auch da kannten wir bereits einige Nachspeisen, wie Mochi, ein Klebereiskuchen mit einer süßen Bohnen-Pflaumen-Füllung in der Mitte. Oder auch einige Gebäckstücke. Was uns an diesen Abend aber serviert wurde war extravagant: glitschige, süße Rettichscheiben mit Granatapfelkernen. Ich vermute, dass diese zuvor in einer Art Honigmischung eingelegt wurden, um damit den Rettichgeschmack komplett zu entziehen. Zumindest schmeckte man nichts der ursprünglichen Rübe mehr. Alfred war der Nachtisch etwas zu glitschig – ich freute mich über eine neue kulinarische Überraschung.