Noch am selben Abend nach unseren Tagesbesuch bei Kagoshima kamen mit dem Shinkansen in Hiroshima an. Unsere Unterkunft haben wir diesmal über AriBnb gebucht und war ein kleines Appartment inmitten dem Partyviertel der Stadt. Vorteil: von hier war alles gut zu Fuß erreichbar.
Unser Appartement war etwas über 20 Quadratmeter groß und hatte neben einer Minikochnische ein kleines Bad und einen Wohn-/Schlafbereich. Alles zwar praktisch eingerichtet, aber immer noch genug Platz zum Schlafen. Ich verstand immer mehr, wie sich kleine Restaurants, in denen zwischen 10 und 20 Leute Platz haben, in den Städten aufgrund der minimalistischen Wohnverhältnisse so gut halten konnten. Ramen gab es in Hiroshima ab umgerechnet 5 Euro.
Spaziergang im Vergnügungsviertel
Am Abend unserer Ankunft unternahmen wir nicht allzu viel mehr. Wir machten einen Spaziergang in unserem Viertel und zur Promenade des Friedens. Auf dem Rückweg suchten wir nach einem kleinen Lokal und fanden eine günstiges. Ein älteres Pärchen kochte die Ramensuppe auf wenigen Quadratmetern. Als wir eintraten, waren wir auch schon mit einem Schritt an den Sitzplätzen und nahmen an der Theke Platz. Wir bestellten unsere Suppe und genossen das Essen. Als ein weiterer Herr mit Begleitung eintrat, rutschten wir einen Sitz weiter auf, um Platz zu schaffen – für uns eigentlich selbstverständlich. Für Gäste und Wirte aber eine sehr großzügige Geste. Und da waren wir wieder bei dem, was wir in den Großstädten etwas vermisst haben: die japanische Freundlichkeit und Offenheit. Wir kamen ins Gespräch, erzählten von Deutschland und welche Orte wir bereits in Japan besucht hatten. Als wir gingen, bedankten sich noch einmal der Gast und die Wirte für unser Entgegenkommen und wünschten uns mehrmals eine schöne Zeit. „Thank you, that you are in Japan“. Diesen Satz hörten wir immer wieder.
Zurück im Appartement legten wir uns frühzeitig schlafen, um für den nächsten Tag ausgeruht zu sein.
Das Memorial Museum
Unser erster Tagespunkt war harte Kost, aber Pflichtprogramm: das Memorial Museum von Hiroshima. Da an diesem Tag der Tenno (Kaiser) gekrönt wurde, war nicht nur Feiertag in Japan, sondern in Museen und Burgen kostenfreier Eintritt. Auf dem Weg zum Museum wurde uns der Audioguide empfohlen. Und tatsächlich: der Audioguide war sehr gut aufgestellt und gab viele zusätzliche Hintergrundinformationen zu über 60 Stationen. Es war viel los wegen des Feiertages und kostenlosem Eintritt. Dennoch wurde wenig geschubst oder gedrängelt. Die japanische Ordnung hatte sich auch bei den Touristen abgefärbt.
Der Besucher wurde direkt in die Ausgangssituation hineingeworfen: Einstieg war eine runde Landschaftsaufnahme von Hiroshima direkt nach der Explosion der Atombombe. Eine Wüste. Am Anfang unterhielten sich die einen oder anderen Touristen über Bilder, Daten und Interpretationen. Über einen Tunnel gelangten wir ins Herzstück des Museums. Der didaktische Fokus lag auf die Erzählung individueller Schicksale, besonders die von Kindern. Das fatale an der Situation in Hiroshima war, dass Schule oder Arbeit in oder außerhalb der Stadt lagen. Zum Zeitpunkt des Bombenabwurfes waren also die Familien über Kilometer voneinander getrennt, was dazu führte, dass sie direkt nach der Explosion in die Stadt gingen, um nach ihren Angehörigen zu suchen und damit den radioaktiven Partikeln schutzlos ausgeliefert waren. Das Museum stellte Überbleibsel oder identifizierte Gegenstände von Kindern aus. Über Informationstafeln wurde ihre Geschichte erzählt. Es wurde darauf Wert gelegt, dem Moment der Explosion so genau wie möglich zu beschreiben. In der nächsten Station wurden die Momente nach der Explosion detailliert aufgezeigt. Es wurden dann die suchenden Menschen beschrieben und ihre Erlebnisse über Interviews aufgezeichnet. Auch Überlebende der Explosion beschrieben weitere Ereignisse, wie den schwarzen Regen und die Reaktion des Körpers darauf. Mittlerweile ist es still geworden. Niemand der Besucher sagte mehr ein Wort, einige versuchten ihre Tränen zu unterdrücken. Das Grauen war plötzlich sehr nahe.
Die darauffolgende Station beschrieb die Jahre von überlebenden nach der Explosion. Auch hier wurden viele Einzelschicksale aufgegriffen. Die inhaltliche Führung löste sich nun von der atomaren Verwüstung und vermittelte in den letzten Stationen die Botschaft, dass so etwas nie wieder vorkommen dürfe. In der Zeitachse waren wir damit auch in der heutigen Zeit angekommen, was durch die wiederaufgebaute Stadt und aktuelle globale Ereignisse gezeigt wurde. Ich war erstaunt, wie gut die Führung dem Besucher das unfassbare Leid der japanischen Bevölkerung aufzeigte und man am Ende dennoch diese Geschichte gut verarbeiten konnte. Das Museum ist absolut zu empfehlen!
Der Peace Memorial Park
Nach dem Museumsbesuch machten wir einen Spaziergang durch den Memorialpark. Mittig stand der Gedenk-Kenotaph, in dem die Namen der Opfer eingraviert wurden. Durch einen sattelähnlichen Bogen konnten man eine ewige Flamme erkennen, die der Heilige Kobo-daishi im 9. Jahrhundert auf Miyajima entzündet haben soll. Ein bewegender Ort.
Wir spazierten über den Park rüber zu den Resten des Atom-Domes. Ursprünglich war dieses Gebäude die Industrie- und Handelskamme – nun ein Mahnmal. Das Gebäude zählte zu den wenigen stehenden Gebäuderesten nach der Explosion.
Die Karpfen-Burg
Nördlich des Memorial Museums lag die Burg von Hiroshima, auch Ri-jo (Karpfenburg) genannt. Über den Wassergraben und der kürzlich wiederaufgebauten Brücke samt Gebäude gelangten wir auf das Burggelände. In dem Vorgebäude wurden sonntags immer Samuraivorführungen angeboten.
Die Hiroshima Burg besteht seit dem 14. Jahrhundert und wechselte regelmäßig seinen Burgherren. Die letzten Besitzer waren die Aso-Familie, die in der Burg über 12 Generationen, bis zur Meji-Regierung ihren Sitz hielt. Heutzutage ist nur noch der fünfstöckige Hauptturm erhalten. In den 50er Jahren wurde die Burg gemäß den strengen Vorgaben der Denkmalbehörde restauriert. In dem Turm befand sich das Stadtmuseum zu Hiroshima und der Burg in der Vormoderne. Im Gebäude befand sich auch ein Museumsshop, der neben lokalen Geschichtsbüchern ein ganz besonderes Exemplar verkaufte.
Rückblick: Als wir uns in Yamagata die restaurierte Burg anschauten kam Alfred mit einem japanischen Paar ins Gespräch. Sie trugen ein DINA-4 Buch mit sich und stempelten dort etwas ab. Dieses Buch zeigte die 100 schönsten Schlösser und Burgen Japans. An jeder dieser Burgen gab es einen ganz bestimmten Stempel, mit dem man den zugeteilten Bereich im Buch abstempeln durfte. Für uns, mittlerweile Stempelliebhaber, natürlich ein must-have! Seitdem suchten wir in Buchläden nach diesem Buch und konnten es bisher nicht finden. Bis jetzt! Endlich gefunden und gekauft suchten wir nach dem Stempel, der die 100 schönsten Burgen signierte und fanden ihn. Tadaaaa der erste Stempel war getan und wir um Welten glücklicher. Seitdem legten wir einen weiteren Fokus auf unserer Reiseplanung: wenn es möglich ist, fahren wir bei einem dieser schönsten Burgen vorbei. Also macht euch gefasst auf mehr Burgen und Schlösser!
Im fünften Stock angekommen, konnten wir den Ausblick über das doch sehr grüne Hiroshima genießen und Inne halten.
Der Shukkeien Garten Hiroshima
Ursprünglich wurde der Shukkeien Garten 1620 von Nagaakira Asano gegründet, als Anlehnung an den berühmten Landschaftsgarten in Xihu (Westsee) in China. Von der Atombombe zerstört, wurde der Garten nach dem 2. Weltkrieg originalgetreu wiederaufgebaut und ist heute zu besichtigen.
Der Garten war in der Tat eine Oase mitten in der Großstadt und wunderschön. Seine abwechslungsreiche Gestaltung ließ einen beim Spaziergang vor Bewunderung kein bisschen müde werden. In der Mitte des Gartens war ein großer Teich angelegt, in dem Wasserschildkröten, ein Reiher, Karpfen und Krebse angesiedelt waren.
Es führten viele Pfade um den See mit kleinen Highlights, die auch die Besuchermasse auf dem Gelände verteilte. Wir genossen den Spaziergang sehr und kamen noch rechtzeitig vor Schluss raus.
Den Abend verbachten wir im Appartement und ging wieder früh ins Bett. Am nächsten Morgen war ein Tagesausflug außerhalb der Stadt geplant.